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Steigende Inflation: Bieten Mehrfamilienhäuser Schutz?

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27.04.2022 | 3 Minuten

Erstmals seit über 20 Jahren verzeichnen wir in der Schweiz wieder eine deutlich anziehende Inflation. Viele Sparerinnen und Sparer suchen Sicherheit in Form von Sachwerten wie Aktien, Gold oder Liegenschaften. Wir analysieren für Sie, in welchem Mass Mehrfamilienhäuser der Teuerung standhalten.

Was bedeutet Inflation?

Inflation ist ein anderes Wort für Teuerung. Die Inflationsrate wird in Prozent angegeben und verdeutlicht, in welchem Mass die Preise für Waren und Dienstleistungen innerhalb eines Jahres gestiegen sind. Volkswirtschaftlich ist Inflation unerwünscht, weil damit die Kaufkraft von Löhnen und Renten sinkt. Wenn eine steigende Inflationsrate nicht durch steigende Zinsen kompensiert werden kann, ist die Teuerung zum Nachteil von allen Sparerinnen und Sparern. Kontoguthaben oder andere Formen von nominellen Geldanlagen wie Obligationen verlieren real an Wert. In Zeiten von Inflationsängsten kommen in der Regel Sachwerte wie Gold, Aktien und Immobilien ins Spiel. Mehrfamilienhäuser und ähnliche Anlagen in Form von Grund und Boden versprechen – zumindest nach der gängigen Theorie – eine ideale Absicherung.

Rückkehr der Inflation in der Schweiz

Lieferengpässe im Kontext der Pandemie und der russischen Invasion der Ukraine haben erstmals seit Langem wieder zu einer spürbaren Teuerung geführt. Nach der offiziellen Statistik stieg die Inflationsrate im März auf 2,4 Prozent. Dies ist der höchste Wert in den letzten 14 Jahren.
Mitarbeitende des UBS Chief Investment Office (CIO) haben die Ursachen der aktuellen Inflation genauer untersucht: Gemäss ihrer Studie («Zehn Fragen zur Schweizer Inflation») geht der grösste Teil auf das Konto Energie – Treibstoff, Heizöl, Gas und Elektrizität machen rund 1 Prozent aus. Nach der Erholung der Weltwirtschaft ist die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen auf den globalen Märkten stark gestiegen, während das Angebot aufgrund tiefer Reserven begrenzt war. Nach dem Ausbruch der Ukraine-Krise drehte sich die Preisspirale noch weiter. Der Preis für ein Fass Öl (Sorte Brent) hat sich gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt; im April lag der Ölpreis zum Teil deutlich über 100 Dollar.
Mit einer Teuerung von rund 2,4 Prozent steht die Schweiz aber noch vergleichsweise gut da: In den USA und auch im Euroraum werden bereits wesentlich höhere Teuerungsraten beobachtet. Ursache für die Differenz ist vor allem die unterschiedliche Struktur des Warenkorbes: In der Eurozone machen Energie und Nahrungsmittelausgaben rund 30 Prozent des Warenkorbs aus, in der Schweiz sind es hingegen nur rund 20 Prozent. Dafür wird hierzulande für die Komponenten Gesundheit und Wohnen mehr Geld ausgegeben als in der Eurozone. Und diese beiden Positionen im Warenkorb erweisen sich in der Regel als stabiler oder verzeichnen gar eine rückläufige Preisdynamik. Insgesamt dürfte auch die Stärke des Schweizer Frankens eine Rolle spielen – denn gegenüber dem Euro dämpft dies die importierte Inflation.

Eine Wohnbausiedlung mit Mehrfamilienhäusern in der Schweiz

Renditeimmobilien als Absicherung

Bieten Mehrfamilienhäuser Schutz vor Inflation? Im Zuge der Inflation verliert Geld an Wert, sodass sich für die gleiche Summe weniger Güter erwerben lassen. Gelingt es jedoch, mit einer Anlagestrategie oder mit bestimmten Investitionen eine höhere Rendite als die Inflation zu erwirtschaften, spricht man von Inflationsschutz.

Mehrfamilienhäuser, die regelmässige Einnahmen aus den Mieterträgen generieren, bringen grundsätzlich viele Voraussetzungen für einen soliden Inflationsschutz mit. Das zeigt auch ein Blick in die längerfristigen Statistiken: In den letzten 50 Jahren haben sich die nominalen Immobilienpreise etwa verfünffacht, während das allgemeine Preisniveau für Konsumgüter um den Faktor drei gestiegen ist. Als Sachwerte erweisen sich Immobilien also durchaus als geeignet, sie bleiben aber in Bezug auf Mieteinnahmen, Kapitalkosten und Zinsentwicklung nicht unter allen Umständen unverschont vor Inflation. Auf diese Faktoren wird im Folgenden eingegangen.

Halten die Mieten Schritt?

Mehrfamilienhäuser mit vermieteten Wohnungen versprechen einen Inflationsschutz durch eine teilweise Indexierung der Wohnungsmieten an die Inflation. Das Grundprinzip lautet: Vermieter können 40 Prozent der allgemeinen Teuerung an die Mieterinnen und Mieter weitergeben. Bei Geschäftsmieten und teils auch bei längerfristigen Wohnungsverträgen ist sogar eine vollständige Anbindung an die allgemeine Teuerung möglich (Landesindex der Konsumentenpreise).

Mehrkosten nicht immer abwälzbar

Führt Inflation zu höheren Zinsen, lassen sich die höheren Kapitalkosten teilweise und mit etwas Verzögerung auf die Mieterschaft überwälzen. Auch hier zeigt sich, dass einige Formalitäten zu beachten sind. Bekanntlich erlauben es die mietrechtlichen Bestimmungen, die Miete periodisch an den offiziellen Referenzzins für hypothekarische Finanzierungen anzupassen. Steigt dieser zum Beispiel von 1,25 auf 1,5 Prozent, berechtigt dies zu einer Erhöhung um 3 Prozent. Eine schrittweise Angleichung an den offiziellen Referenzzins ist nur möglich, wenn zuvor die Senkungen des Referenzzinses bei der Kalkulation berücksichtigt wurden. Ausserdem deckt sich der offizielle Referenzzins nicht unbedingt mit der tatsächlichen Finanzierungs- und Kostenstruktur eines Vermieters, der Fremdkapital aufnimmt.

Grundsätzlich sind immer auch die allgemeine Wirtschaftsentwicklung, die konkreten Umstände der Liegenschaft und des Standorts zu berücksichtigen; längerfristig können die Mieten nur in dem Mass angehoben werden, als auch die Löhne und die Kaufkraft steigen. Ausserdem darf der regionale Markt nicht übersättigt sein. «Höhere Mieten sind in Regionen mit relativ hohem Leerstand und einer anspruchsvollen Vermietungssituation kaum durchsetzbar», erklärt Katharina Hofer, Ökonomin und Immobilienexpertin bei UBS.

Formvorschriften bei Nebenkosten

Bei Mehrfamilienhäusern mit vermieteten Wohnungen darf nicht unterschätzt werden, dass auch eine objektiv begründete Weiterverrechnung von Mehrkosten mit einigem Aufwand verbunden ist. Der Vermieter kann es natürlich nicht einfach dabei bewenden lassen, per Brief oder in anderer Form eine Mietzinsanpassung und höhere Nebenkosten anzukündigen. Für sämtliche Anpassungen sind gewisse Formvorschriften zu beachten. Nehmen wir als Beispiel die Position «Heizkosten» bei den Nebenkosten, die im Moment am meisten betroffen ist: Jede Kostensteigerung und insbesondere die Erhöhung des vereinbarten Pauschalbetrags oder die Erhöhung der Akontozahlung für Heizenergie gelten als einseitige Vertragsänderung. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die Abwälzung der Kosten formell korrekt ist:

  • Formular: Nebenkostenanpassungen müssen auf dem kantonal genehmigten Formular zur Mitteilung von Mietzinserhöhungen und einseitigen Vertragsänderungen mitgeteilt werden.
  • Begründung: Die Anpassung der Nebenkosten muss klar und für die Mieterinnen und Mieter nachvollziehbar begründet sein.
  • Fristen: Die Vertragsänderung kann auf den nächsten Kündigungstermin mitgeteilt werden (unter Einhaltung der Kündigungsfristen plus zehn Tage Bedenkzeit).

Die Teuerung im Energiebereich schlägt längst in der Liegenschaftsrechnung zu Buche. Die Weitergabe der Kosten ist aber in der Regel nur mit einer gewissen Verzögerung und im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen möglich.

Hypothek von Vorteil

Ein weiterer wesentlicher Aspekt: Mehrfamilienhäuser sind in der Regel bis zu einer Maximalhöhe von 75 Prozent mit Hypotheken finanziert. Dies schafft grundsätzlich ein Potenzial, sich vor den Folgen der Inflation zu schützen: Denn im Kontext von Inflation sind ja Hypothekarschulden quasi das Gegenstück zum Kontoguthaben. Wie das Kontoguthaben verlieren die Schulden an Wert. Hat der Eigentümer der Immobilie zum Beispiel eine längerfristige Hypothek von 1,5 Prozent aufgenommen, sieht die Rechnung wie folgt aus: Bei einer Inflation von 2 Prozent gewinnt er jedes Jahr ein halbes Prozent. Steigt die jährliche Inflationsrate auf 3 Prozent, steigt das Vermögen netto um 1,5 Prozent. Die Hypothek wird quasi «inflationiert». Oder anders gesagt: In Zeiten von Inflation bedeuten real betrachtet sinkende Schulden ein höheres Vermögen.

Diese Kalkulation geht aber nur dann auf, wenn die Immobilienwerte mit der Inflation Schritt halten. Für die letzten Jahre gilt: Die Immobilienpreise gingen vielerorts steil nach oben. Doch dies gestattet keine zuverlässige Prognose für die nähere Zukunft. Sollten die Inflationsraten weiter nach oben tendieren, ist auch mit weiteren Zinssteigerungen zu rechnen. Schon jetzt haben sich die Marktzinsen für längerfristige Festhypotheken deutlich verteuert. Und vieles deutet darauf hin, dass die Notenbanken in den USA und im Euroraum die Leitzinsen weiter anheben.

Mit einer gewissen Verzögerung wird auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Leitzinsen anpassen. Katharina Hofer von UBS sagt dazu: «Steigende Zinsen haben einen inversen Effekt auf den Wert von Immobilien.» Das gilt ohne Zweifel für Mehrfamilienhäuser, aber auch für Einfamilienhäuser. In der Bewertung von Immobilien spielt eben nach einer Ertragswertmethode oder nach Discounted Cash Flow (DCF) der Diskontsatz eine zentrale Rolle – der Zinssatz ist eine wichtige Stellschraube in der Bewertung. Steigende Zinsen können dabei eine beträchtliche Hebelwirkung entfalten. Rein rechnerisch könnten die Immobilienwerte bei einem starken Zinsanstieg um 20 bis 30 Prozent fallen.

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Steigende Zinsen als Spielverderber

Bei einem solchen Szenario würde sich zugleich die Kostensituation für die Eigentümer von Renditeimmobilien verändern. Die Mieteinnahmen würden möglicherweise noch knapp reichen, um die gestiegenen Kosten für die Verzinsung des Fremdkapitals abzudecken. Dabei spielt es immer auch eine Rolle, zu welchem Preis der Investor sein Objekt gekauft hat. Wer in den letzten zwei oder drei Jahren an guten Lagen Immobilien zu Spitzenrenditen gekauft hat, trägt im Fall steigender Zinsen ein höheres Risiko als Eigentümer, die noch in einem anderen Umfeld im Immobilienmarkt investiert haben.

«Global führen die hohen Inflationsraten zu Zinserhöhungen der Notenbanken, was auch die Zinsen hierzulande ansteigen lässt», prognostiziert Katharina Hofer von UBS. Bei einem solchen Szenario dürften sich die Preise von Immobilien mittelfristig schwächer entwickeln als die Inflation.

Fazit

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Regulierungen erlauben es, bei Renditeimmobilien zumindest einen Teil von teuerungsbedingten Mehrkosten weiterzuverrechnen. Doch im operativen Geschäft mit Mehrfamilienhäusern fallen auch immer einige Kostenfaktoren ins Gewicht, die keine Erhöhungen von Nebenkosten oder Mietpreisen rechtfertigen. Kommt dazu, dass die Marktlage oft keine höheren Mieten zulässt. Die Einnahmeseite ist also in der Regel nicht vollständig gegen steigende Inflationsraten abgesichert. Wenn sich der Inflationstrend fortsetzt, werden über kurz oder lang auch die Zinsen steigen. Die Investoren im Immobilienbereich müssen auch diesen Faktor genau im Auge haben. Denn erfahrungsgemäss kommen die Bewertungen von Renditeimmobilien bei steigenden Zinsen unter Druck.


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